Küken kurz nach dem Schlüpfen

Friede, Freude, Eierschaukeln

Wie sich Industrie und Politik um das Hähnchen-Wohl sorgen

Update: Post von Aldi


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Beim morgend­lichen Streifzug durch die Tages­zeitung bin ich auf eine Anzeige des Lebens­mit­tel­kon­zerns Aldi gestoßen. Es war eine Kampagne, die mit Hühnern zu tun hatte und ihr Enga­gement in Sachen Tier­schutz heraus­stellen sollte; die Anzeige war seiten­füllend und nicht zu über­sehen; wie wichtig dem Absender seine Nach­richt war, kann man auch am Betrag erahnen, den er inves­tieren musste, um diese so prominent zu posi­tio­nieren: Eine ganz­seitige, 4‑farbige Anzeige in der SZ an einem gewöhn­lichen Mittwoch kostet 76.500 €; ein nicht mehr ganz kleines Vermögen.

Seit ein paar Jahren führen Themen wie Umwelt­schutz und mannig­faltig ausge­richtete »Verant­wortung« kein Nischen­dasein mehr in den Köpfen und Parolen soge­nannter Öko-Fuzzies, die man gerne mit langen, fusse­ligen Haaren, Nickel­brille und Birken­stock-Sandalen darstellte. Das Hinein­drängen des Klima­wandels in unsere Nach­richten und den Alltag vieler Menschen hat unter Anderem dazu geführt, dass sich auch Unter­nehmen und ihre Waren ein bisschen mehr an einen grünen Maßstab anlegen müssen. Der große Trend zurück zum Wesent­lichen, zu mehr Acht­samkeit und Nach­hal­tigkeit hat außerdem ganz neue Möglich­keiten geschaffen, den multi-bewussten Konsu­menten das Geld aus dem fair gehan­delten Bio-Baumwolbeutel zu ziehen.

der PR-Spruch »Tue Gutes und Rede darüber« hallt momentan durch alle Unter­neh­mens­flure bis in die letzte Klo-Kabine. 

Unternehmens-Verantwortung und Nach­hal­tigkeit haben also mitt­ler­weile einen ausge­wach­senen Stel­lenwert für viele Betriebe; der PR-Spruch »Tue Gutes und Rede darüber« hallt momentan durch alle Unter­neh­mens­flure bis in die letzte Klo-Kabine.

Die Größe des ökolo­gi­schen, sozialen oder ähnlich gear­teten Tuns ist aller­dings in allen Ecken der Wirt­schaft noch immer leicht über­schaubar; im Allge­meinen so leicht, dass man erst mal eine Kultur auf Nähr­medium anlegen müsste, um was darüber zu sagen. Umso größer ist der betriebs­eigene PR-Output. Kein Dorf-Supermarkt kommt heute ohne grün umrankte, selig umlä­chelte Image­pflege aus; auf Websites kann man nach­lesen, wie wenig sich das jeweilige Unter­nehmen noch von einer Non-Profit-Organisation wie beispiels­weise Green­peace unter­scheidet. Man sieht und liest von ausge­gli­chenen Tieren, geschützter Umwelt und zufrie­denen Menschen. Das fein­ge­schliffene und bunt illus­trierte Bild, das die Läden in der Öffent­lichkeit präsen­tieren, steht im krassen Gegensatz zu den von ihnen geschaf­fenen nackten Tatsachen.

Der Gott des Gemetzels

Die beschriebene Zeitungs-Annonce bezieht sich auf die nackte Tatsache, dass während der Produktion von Hühner­eiern fast alle männ­lichen Eintags­küken der Wirt­schaft­lichkeit geopfert werden. Dabei gibt man sich beim Opfern nicht mal Mühe; wie die grim­migen Wilden im Aben­teu­erfilm, die ihre Götter-Opfer hübsch heraus­putzen, ihnen okkulte Symbole auf die Stirn malen und auf einem mit Fratzen deko­rierten Schrein in Trance singen. Statt­dessen wirft man die Küken herum wie faulige Kartoffeln; das scho­nungslose Ende ist den meisten unter uns bekannt…

Nun ist es so, dass die Regierung ganz fest vorhat, dem »Küken­töten« bis Ende 2021 Einhalt zu gebieten. Das entspre­chende Verbot lauert prak­tisch in Hab-Acht-Stellung, um zum Sprung anzu­setzen, sobald sich die Industrie mit einer Lösung wohl­fühlt. 2019 hatte sich das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt für dieses Verbot entschieden; aller­dings setzte es eine Über­gangszeit an, in der das Verfahren weiter zulässig sei, bis man einsatz­fähige Alter­na­tiven hätte. Das ist aber nicht der Beginn der Abschaffungs-Ballade. Schon im Koali­ti­ons­vertrag hatte unsere Regierung den Ausstieg aus dem Küken­töten für die Mitte der Legis­la­tur­pe­riode fest­ge­setzt, was im Oktober 2019 der Fall gewesen wäre; und diesen Termin verpasst. Auch der Vorgänger Julia Klöckners, Agrar­mi­nister Schmidt, wollte das Küken­töten bereits beenden; und zwar bis 2017.

Donnerwetter: Lebensmittelkonzern plant, sich an Gesetz zu halten

Aldi will, laut Anzeige, das Küken­töten bis 2022 beenden, also prak­ti­scher­weise dann, wenn es ihnen das Gesetz ohnehin verbietet soll – Nach mehreren miss­glückten Anläufen der Politik in Sachen Küken­rettung, sind die Aldianer vermutlich auf den Trichter gekommen, dass auch eine Frau Klöckner das Gesetz nicht bis in alle Ewigkeit aufhalten kann (erst wollte ich schreiben: …wenn sie noch ein bisschen Wert auf Glaub­wür­digkeit legt. Das ist natürlich totaler Quatsch. Frau Klöckners Werte­kanon hat ja mehr so andere Schwer­punkte). Ja, und dann kann man auch gleich Hier! rufen; und so noch ein image­strei­chelndes Loblied auf sich anstimmen. Der Titel lautet denn auch: »Wir schaffen das Küken­töten ab!«; flan­kiert von einem Siegel mit nied­lichem, herz­för­migen Küken-Logo: »Aldi-Initiative · Ohne Kücken­töten«1. Der gefühlte erste Eindruck : Hier spricht der Geflügel-Messias! Halten Sie ihre Fönfri­suren fest, denn Aldi macht einen großen Schritt in die Zukunft, und sorgt endlich für Tierwohl in dieser Gesellschaft!

Hähnchen / Hennchen-Innovation

Größ­ten­teils, gedenkt Aldi, sein Versprechen mit »innovative[n] technische[n] Verfahren zur früh­zei­tigen Geschlechts­be­stimmung«1 einzu­lösen. Gemeint ist damit die Praxis, das Geschlecht der Hühnchen schon im bebrü­teten Ei zu bestimmen, um die männ­lichen Küken noch vor dem Schlüpfen aussor­tieren zu können; diese ausge­mus­terten Eier werden dann wiederum geschreddert. Aldi, wie auch andere Lebens­mit­tel­un­ter­nehmen, setzt dabei auf eine mole­ku­lar­ge­ne­tische Methode. Dabei wird mit einem Laser ein Loch in die Eischale geschnitten und dann etwas Flüs­sigkeit entnommen. Die soge­nannte Allan­tois­flüs­sigkeit enthält DNA, und damit auch Infor­ma­tionen über das Geschlecht des Tieres; bis zum Ergebnis der Unter­su­chung vergeht etwa 1 Stunde. Wie es an mehreren Stellen in der Internet-Berichterstattung heißt, wird »Das Innere des Brut-Eies [..] dabei nicht berührt und bleibt unver­sehrt«2. Die Allantois ist die embryonale Harn­blase, wie ich herausfand. Mir als Laien ist aller­dings schlei­erhaft, wie man etwas aus einer Harn­blase entnehmen kann, ohne dabei »das Innere zu berühren«. Umfasst die Entde­ckung dieses Verfahrens auch das Beamen von Flüssigkeiten?

»Hühnerei in seinem neunten Tag der Entwicklung«
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/1c/Chicken_egg_diagram-de.svg
KDS4444 / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)

Schmerz und Kommerz

Ein großer Stör­faktor innerhalb dieses Vorgehens ist der Zeit­punkt der Geschlechts­be­stimmung. Sie findet am 9. Bruttag statt; zu einem Zeit­punkt an dem der Embryo schon ein Wesen mit Augen, Schnabel, Füßen und Flügeln ist; und an dem es mögli­cher­weise bereits in der Lage ist, Schmerz zu empfinden. Dieser Umstand wird von Industrie und Politik entweder unauf­fällig unter den Tisch fallen gelassen, oder sogar falsch darge­stellt. In einem Papier des Bundestags »Zum Schmerz­emp­finden von Hühner­em­bryonen« werden die wissen­schaft­lichen Ansichten zu diesem Punkt erörtert. Was das Einsetzen des Schmerz­emp­findens betrifft, heißt es da, gehen »Zwischen dem siebten und 15. Tag [..] hingegen die Meinungen der Wissen­schaftler noch ausein­ander, in Abhän­gigkeit davon, auf welche Studien sie sich berufen«3. Zwei Absätze weiter folgert man: »Die Wissen­schaftler sind weitest­gehend der Meinung, dass zur Abklärung dieser wesent­lichen Frage, ab wann ein Schmerz­er­leben tatsächlich vorliegt, weiter­ge­hende Forschung betrieben werden müsse«3. Trotz dieser recht eindeu­tigen Lage, scheint es mir, versucht man bereits innerhalb dieses Papiers leichte Zweifel an der unlieb­sa­meren Sicht­weise zu streuen. So ließt man z.B.:

»Bei denje­nigen Autoren, die sich auf einen sehr frühen Zeit­punkt des Schmerz­emp­findens berufen, wird zumeist eine 1961 erschienene russische Publi­kation heran­ge­zogen. Kritiker wenden aller­dings ein, dass in dieser Publi­kation weite Teile der Eischale entfernt wurden und somit ein ganz besonders starker Reiz ausgelöst wurde«3 .

Nun ja; ein ausge­mus­tertes Ei in den Schredder zu werfen, wird beim Embryo vermutlich auch einen »ganz besonders starken Reiz« auslösen, nicht wahr? Außerdem frage ich mich, ob die Nennung von Ort und Jahr der Studi­en­ent­stehung unsere düstre Phan­tasie anregen soll… 1961 ist schließlich schon ewig her, was wusste man da schon?! Und dann denkt man viel­leicht an einen James-Bond-Gegenspieler mit Mono-Braue, der mittels russi­schem Akzent ein fins­teres Expe­riment in Auftrag gibt… dubios.

Wenn auch nur eine Chance besteht, dass das Huhn im ange­ge­benen Embryo-Stadium bereits etwas empfindet, welchen Sinn ergibt es dann, eine solche Methode zur Vermeidung des »Küken­tötens« zu entwi­ckeln und zu etablieren? Der Unter­schied besteht lediglich darin, dass wir Konsu­menten und Produ­zenten die nied­lichen, flau­schigen Küken nicht mehr sehen müssen, die wir entsorgen. Wie prak­tisch, dass da zu früherem Zeit­punkt noch eine Schale drumrum ist.

Geschlechtsbestimmung: Methode II

Es gäbe übrigens noch eine weitere Methode, das Geschlecht des Embryos im Ei zu bestimmen; und zwar bereits am 3. Bruttag; also zu einem Zeit­punkt, der den Wissen­schaftlern nach sicher keine Schmerz­reize verur­sachen würde. Bei der Raman-Spektroskopie wird eben­falls ein Loch in die Schale geschnitten, und das Ei dann kurz »durch­leuchtet«. Das reflek­tie­rende Licht gibt Aufschluss über das Geschlecht; das Verfahren dauert etwa 1 Sekunde. Wieso, habe ich mich gefragt, wählt man nicht diese Methode? Nun, sie ist teurer… Ludger Breloh von Seleggt/REWE Group (REWE wendet teil­weise bereits das erst­ge­nannte Verfahren an) kriti­siert dann auch »diese Technik [die spek­tro­sko­pische] könnten sich nur große Brüte­reien leisten, die Maschinen seien wahn­sinnig teuer«4. Wer arbeitet denn zusammen, mit den großen Brüte­reien – viel­leicht REWE? Inter­essant ist in diesem Zusam­menhang auch die Infor­mation, dass heute ohnehin »nur noch vier welt­markt­be­stim­mende Unter­nehmen [..] Lege­hennen [züchten]«5. Auf wen möchte REWE hier also Rück­sicht nehmen? Vor allem nimmt man aller­seits viel Rück­sicht auf seine Finanzen.

Fräulein Klöckners Gespür für Moos

Wie es unserer Minis­terin Klöckner eigen ist, präsen­tiert sie sich des öfteren mit Vertretern der Wirt­schaft in der Öffent­lichkeit; so auch 2018 anlässlich der Vorstellung des Geschlechtsbestimmungs-Verfahrens Seleggt, welches REWE einsetzt. Hier sagt sie: 

»Das ist ein großer Tag für das Tierwohl in Deutschland! Und damit werden wir Takt­geber in Europa. Mein Minis­terium hat mit rund fünf Millionen Euro die Erfor­schung von viel­ver­spre­chenden Verfahren zur Geschlechts­be­stimmung im Brut-Ei unter­stützt. Deutschland ist mit der Markt­reife des heute vorge­stellten Verfahrens Vorreiter«6.

Ich stimme der Aussage zu – würde aller­dings »das Tierwohl« durch die »die Wirt­schaft« ersetzen – dann passt alles. Ist wirklich »ein großer Tag«, wenn export­fähige Güter auch noch so sympa­thisch daherkommen.

Das ist schlicht eine unwahre Aussage.

Frau Klöckners Minis­terium fördert die »viel­ver­spre­chenden Verfahren« nicht nur finan­ziell; auch im Internet bemüht man sich die Errun­gen­schaft an den Mann, bzw. die Frau zu bringen. Zum BMEL (Bundes­mi­nis­terium für Ernährung und Land­wirt­schaft) gehört die BLE (Bundes­an­stalt für Land­wirt­schaft und Ernährung), und dazu wiederum das BZL (Bundes­in­for­ma­ti­ons­zentrum Land­wirt­schaft). Dieses Drei­ge­stirn betreibt mehrere Websites, zuge­schnitten auf jeweils andere Ziel­gruppen. Auf praxis-agrar.de, einer Website, die sich offenbar eher an Land­wirte richtet, liest man z.B.: »Bei der Hormon­be­stimmung wird am 9. Tag des Bebrütens, nach derzei­tigem Stand der Forschung vor dem Einsetzen des Schmerz­emp­findens,..«7. Das ist schlicht eine unwahre Aussage. Dabei schreiben BLE/BZL über sich selbst: »Unser Ziel ist es, durch unab­hängige und objektive Infor­mation ein besseres Verständnis moderner Land­wirt­schaft zu fördern…«8 und »Wir infor­mieren Verbrau­che­rinnen und Verbraucher unab­hängig und neutral über Land­wirt­schaft, damit sie fundierte Konsum­entschei­dungen treffen können«8 . Was sie zum Beispiel auf tierwohl-staerken.de versuchen. Hier wird der Leser etwas blumiger und tier­freund­licher ange­sprochen. Ein selt­samer Satz lautet: »Die Wissen­schaft muss noch erfor­schen, was am besten mit diesen Eiern [den aussor­tierten] gemacht werden soll, da sie eine sehr wert­volle Prote­in­quelle sind«9. So so, »noch erfor­schen«… Ich stelle mir vor, wie ein Dutzend weiß-bekittelter Wissen­schaftler mit Lupen­brillen vor einem Eier-Embryo-Matschhaufen steht und sich buch­stäblich die Haare rauft, ob der kniff­ligen Aufgabe, was man bloß mit diesen soge­nannten »Eiern« anstellen könnte… 

BLE/BZL möchten außerdem auch alle möglichen anderen Perso­nen­gruppen infor­mieren; z.B. Journalist*innen, Lehr- und Bera­tungs­kräfte. Lobenswert, wenn man seinen Bildungs­auftrag so ernst nimmt. Als Journalist*in soll man sich auf diese schnittig frisierten Infor­ma­tionen verlassen? Und Kinder damit unter­richten? Sicher­heits­halber geben die Infor­manten im Impressum aber an: »…Insbe­sondere kann keine Gewähr für die Voll­stän­digkeit und Rich­tigkeit von Infor­ma­tionen über­nommen werden…«10.

Wunder dauern etwas länger

Was nun den ehrge­bie­tenden Geflügel-Erlöser Aldi angeht, so gibt dieser an, »das gesamte Schaleneier-Sortiment aus Bio‑, Freiland- und Boden­haltung [umzu­stellen] und [..] damit konse­quent das Küken­töten [zu beenden]«1. Moment, was sind denn bitte »Scha­leneier« – gibt es etwa auch Eier ohne Schale? Die Erwähnung der Eier­schale bedeutet in diesem Zusam­menhang, dass die Aktion nur ganze Eier betrifft; solche, die man in Sechser- oder Zehner-Packungen kaufen kann. All die anderen Eier, die sich im Super­markt verstecken, also in Salaten, in Keksen, in Fertig­ge­richten, Panaden, usw. – die sind alle nicht betroffen. Was diese Eier angeht, möchte sich Aldi noch nicht auf die Küken-Schonung festlegen;

Stichwort »konse­quent«:

Bei einem Rundgang durch Aldis inter­na­tionale Web-Auftritte konnte ich nichts über ein Vorhaben finden, ihr Eier­sor­timent küken­tö­tungsfrei gestalten zu wollen; oder einen Bericht über ihr in Deutschland ange­setztes Enga­gement. Nicht in Öster­reich, Frank­reich, den Nieder­landen, Groß Britannien oder Irland. Könnte es daran liegen, das kein entspre­chendes Verbot dort für die nötige Moti­vation sorgt? Wie »konse­quent« Aldi vorgeht, sieht man auch an dem Beispiel Käfig­haltung: »Bereits 2004 hat ALDI Nord als erstes Unter­nehmen im deut­schen Lebens­mit­tel­ein­zel­handel aus Gründen des Tier­wohls den Handel mit Eiern aus Käfig- bzw. Klein­grup­pen­haltung ausge­schlossen«11 (zu diesem Zeit­punkt wurde der Herkunfts­stempel auf dem Ei einge­führt, was recht schnell zu einer weit­rei­chenden Verbannung von Käfi­geiern aus deut­schen Super­märkten geführt hat). So weit, so gut. Das ist nun 16 Jahre her. In dieser ganzen Zeit hat Aldi, ein inter­na­tional agie­render Groß­konzern, sein Prinzip Käfigfrei »aus Gründen des Tier­wohls« nicht auf die ganzen anderen Standorte außerhalb Deutsch­lands ausge­weitet. Dieses Ziel hat sich Aldi zu 2025 gesetzt. 2025 wird die Käfig­haltung euro­paweit verboten…

Ein Groß­konzern wie Aldi, der vor allem deshalb groß geworden ist, weil er seine Waren zum niedrigst-machbaren Preis anbietet; ganz gleich, wie groß die Neben­wir­kungen sein mögen – so ein Laden stellt sich auf den Markt­platz und ruft: Sehet und staunet – Denn ich bin gekommen, um diese armen Geschöpfe (Küken) zu erretten*! – Nee, is’ total glaub­würdig.
*teil­weise

Huhn ohne Lobby

Mein Ziel ist es nicht, Aldi-Bashing zu betreiben – die anderen Lebens­mit­tel­kon­zerne zeigen sich, wissen die Hühner-Götter, nicht auffällig enga­gierter, was das Tierwohl betrifft. So ein Huhn hat einfach keine Lobby. Das Steigern des Brut­to­so­zi­al­pro­dukts, mehr Profit für weniger Leute, das ist offen­sichtlich bedeu­tender als Legionen von Lebe­wesen, denen man geltende kognitive Fähig­keiten abspricht.

Gerade erst sagte Steffen Augsberg vom Deut­schen Ethikrat: »Ich kenne kein einziges Rechts­gebiet, in dem so heuch­le­risch vorge­gangen wird wie im Tier­schutz­recht«12; der Rat fordert einen Struk­tur­wandel von der Politik. Den fordere ich auch; und außerdem einen Struk­tur­wandel in unseren Gehirnen; ob Produzent oder Konsument (oder Poli­tiker). Wir befördern Tiere ins Jenseits als spucke man seinen ausge­lutschten Kaugummi in die Büsche. Und das im Takt eines Maschi­nen­ge­wehrs. Gerade unsere Recht­fer­tigung für den von uns prak­ti­zierten Umgang mit Tieren, nämlich eine angeb­liche geistig-emotionale Über­le­genheit, führen wir mit unserem Verhalten ad absurdum. Und jetzt haben wir allen ernstes auch noch kompli­zierte Apparate ersonnen, mit Lasern und Mikrobiologie-Geraffel, damit uns jah dieses ganze gezüchtete Leben nicht doch noch in die Quere kommt – das nenne ich strukturschwach.

So. Und jetzt noch ein kleines Eier­li­körchen auf den Schreck; man lebt ja nur einmal, was?! Will­kommen in Absurdistan!


Update: Post von Aldi

Mitte Juni hatte ich den Aldi-Kunden­dienst befragt: Ist die »Initiative ohne Küken­töten« tatsächlich nur auf Aldis »Scha­leneier«* beschränkt, oder wird die Aktion auch die vielen Eier beinhalten, welche in Aldis Produkten verar­beitet werden?
Nach rund einem Monat und mehreren Wir-haben-Sie-nicht-vergessen-Mails hat mir Aldi Nord geant­wortet: Mit einer allge­meinen Presse-Mitteilung; abrufbar über die Aldi-Website. Dabei war ich schon so gespannt, was da kommen würde – immerhin hatten sie sich mehrere Wochen Zeit genommen… Keine Antwort ist auch eine Antwort.

*ganze Eier, in Sechser- oder Zehner­packs erhältlich


Quellenangaben:

1Aldi-Anzeige in der SZ vom Mittwoch, 3.6.2020, Seite 5
2REWE-Group: »Durch­bruch: Gemeinsam Küken­töten beenden!«, URL: www.rewe-group.com/de/newsroom/pressemitteilungen/1681-gemeinsam-kuekentoeten-beenden, abge­rufen am 30.6.2020
3Deut­scher Bundestag · Wissen­schaft­liche Dienste: »Zum Schmerz­emp­finden von Hühner­em­bryonen« (2017), Seite 5, URL: www.bundestag.de/resource/blob/525618/02fc07ec955e3e2a1830c9ca38e2a1ff/wd‑8–030-17-pdf-data.pdf, abge­rufen am 30.6.2020
4Weidt, Elena /Kölbel, Ralf: »Neue Methoden zur Geschlechts­be­stimmung im Ei…« (19.1.2018) auf swr.de, URL: www.swr.de/wissen/kueken-geschlechtsbestimmung-bei-huehnereiern/-/id=253126/did=21006402/nid=253126/182vix3/index.html, abge­rufen am 30.6.2020
5Albert Schweitzer Stiftung: »Lege­hennen | Über­züchtung«, URL: https://albert-schweitzer-stiftung.de/massentierhaltung/legehennen, abge­rufen am 30.6.2020
6BMEL: »Durch­bruch: Gemeinsam Küken­töten beenden!« (8.11.2018), URL: www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2018/171-seleggt-methode.html, abge­rufen am 30.6.2020
7BLE/BZL: »Hahn oder Henne? Geschlechts­be­stimmung im Brutei«, www.praxis-agrar.de/tier/gefluegel/geschlechtsbestimmung-im-brutei/, abge­rufen am 30.6.2020
8BZL: »Über uns«, URL: www.praxis-agrar.de/ueber-uns/, abge­rufen am 30.6.2020
9BZL: »Das Küken­schreddern soll ein Ende haben« auf tierwohl-staerken.de, URL: https://www.tierwohl-staerken.de/aktuelles/news-details/news/das-kuekenschreddern-soll-ein-ende-haben/?no_cache=1&cHash=f312d426382fdc0c809619438a53b3b2, abge­rufen am 30.6.2020
10BLE/BZL: https://www.praxis-agrar.de/impressum/ , abge­rufen am 30.6.2020
11 Aldi Nord: »Das goldene Ei« auf aldi-nord.de, URL: https://www.aldi-nord.de/unternehmen/verantwortung/lieferkette-food/tierwohl-bei-aldi-nord/das-goldene-ei.html, abge­rufen am 30.6.2020
12Tagesschau.de: »Stel­lung­nahme des Ethikrats…«, URL: https://www.tagesschau.de/inland/ethikrat-nutztiere-101.html, abge­rufen am 30.6.2020

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